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Drei Coverversionen, die das Original an die Wand nageln

Nenn es „nachspielen“, nenn es „kopieren“ – geh doch nach Hause. Eine gute Coverversion packt die Seele des Originals und verschafft ihm (und deinen Ohren) eine neue Perspektive. Hier sind drei, die dies völlig unterschiedlich tun. Und das in Versionen, die du vielleicht noch gar nicht auf dem Zettel hattest.

Autor

Arne Hollmann

Please, Mr. Postman

Original: The Marvelettes, 1961
Coverversion: Backbeat Band, 1994

Kennst du, weil: Die Beatles die Nummer in ihrer Starclub-Zeit liebevoll zersägt haben und seither rund 10.000 weitere Interpreten mit den Sägespänen rumsauen.

Lange vor den Supergroups mit Wurzeln in den 90ern, formierten die Macher des Beatles-Films "Backbeat" ihre eigene, kleine Megagroup mit musikalischen Rebellen ihrer Zeit: Dave Pirner (Soul Asylum), Greg Dulli (The Afghan Whigs), Thurston Moore (Sonic Youth), Don Fleming (Gumball), Mike Mills (R.E.M.) und Dave Grohl (Nirvana/Foo Fighters) prügelten die 12 Tracks ein. Und zwar mit einer Hingabe, Lässigkeit und Attitüde, die den frühen Tagen der Beatles sicher mehr als gerecht wurde. Denn schon die Beatles coverten den ursprünglichen Motown-Song nach dem Prinzip "schneller, lauter aber bitte mit Melodie". Und so darf sich die Backbeat-Version durchaus mit dem Original der Marvelettes messen – sie wurde zu einer zeitgemäßen, rotzigen Variante. Der Groove, den die latent unterbezahlten, brillanten Motown-Bands auf Band brachten, erhielt schlichtweg ein Upgrade auf den Groove der 90er.

Im Wesentlichen durch zwei Zeitgenossen an den Drums, die heute für ihre musikalische Umtriebigkeit bekannt sind: 32 Jahre vor Dave Grohl trommelte bei der legendären Studioband "Funk Brothers" niemand geringeres als Marvin Gaye. Keine Ahnung, was Ringo Starr dazu sagt.


Smells like Teen Spirit

Original: Nirvana, 1991
Coverversion: Patti Smith, 2007

Kennst du weil: Der Herr dir Ohren an Kopf geschraubt hat und du vielleicht schon mal über irgendeine „Was ging in den 90ern“-Playliste gestolpert bist.

Wenn das Gespräch bei Kurt Cobain ankommt, lächeln Gitarristen gern müde und sagen "jaja". Das heißt so viel wie "überbewertet" und machen wir uns nichts vor – virtuos und technisch ausgefeilt war die traurige Figur dessen, was mal als "Grunge" bezeichnet werden sollte, sicher nicht. Was viele Gitarristen dann aber nicht so richtig können ist, die Fresse zu halten. Beziehungsweise, mit wenigen Tönen ein Monument zu setzen. Bei "Smells like Teen Spirit" sind es vier Akkorde im Refrain und zwei Einzeltöne in der Strophe, die diesen Punkt machen. Und es sind diese vier Akkorde und zwei Einzeltöne, die Patti Smith' Band relaxt feiert.

Das Geprügel, die Anarchie des Originals fehlt hier vollkommen, Patti Smith kommt ohne Wut und Gebrüll aus. Hier hört man wieder, woher die New Yorker Punk-Ikone eigentlich kommt: sie schreibt Gedichte und rezitiert sie. Heraus kommt ein einziges, großes Kurt-Cobain-Zitat, mit allem, was zu einem Zitat gehört: Anführungsstriche unten, Quintessenz, Anführungsstriche oben. Das reicht (und man sollte Tori Amos nicht unterschlagen, die dies schon lediglich mit Stimme und Klavier vor Smith tat).

Toxicity

Original: System of a down, 2001
Coverversion: Meytal Cohen, Jennifer Lynn & Christine Wu 2009

Kennst du weil: Du dich Anfang der Nuller gefragt hast, ob außer dieser „When Angels deserve to die“-Nummer noch andere gute Songs von dieser seltsamen Band existieren.

Wenn man fragt, was den Stil von System of a Down ausmacht, ist der erste Impuls wohl: Serj Tankians Gesangs-Spektrum von Oper über Dadaismus bis zu kontrolliertem Gebrüll. Umso interessanter, eine Version des Titeltracks zum zweiten Album "Toxicity" zu finden, die vollkommen ohne Gesang auskommt. Und ohne Gitarren. Das Trio um Schlagzeugerin Meytal Cohen performt das Metal-Brett mit zwei Violinen und stellt das zweite unverkennbare Stil-Element des Originals in den Vordergrund: die brachialen Riffs und Breaks. Man glaubt kaum, wie schön eine Geige mit Verzerrer klingen kann. Und wie schön es ist, von einer angebrüllt zu werden. Dass es auch noch drei junge Frauen sind, die den ursprünglichen Song aus seinem Testosteron-geladenen Genre entführen (im SOAD-Video prügeln sich ausschließlich Männer) und auf eine völlig neue Wiese stellen, ist im Übrigen umso schöner. Dass Drive und Aggression dabei erhalten bleiben, noch schöner. Und das Schönste von allem ist, dass dieses Video eigentlich eine Bewerbung zu "America's got Talent" war und Meytal Cohen nicht genommen wurde. Was soll diese Frau in einer Casting-Show?

Ihre Alben mit eigener Band sind dafür umso hörenswerter. Und die Leichtigkeit, mit der sie "Toxicity" trommelt wirklich sehenswert. Auch hier lohnt sich der Vergleich mit dem Original. Cohen macht das, als würde sie grad Kaffee kochen. Dagegen wirkt das Original wie die Sportschau. Sauber.

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